Soredapass und Pizzo Cassinello
Der Pass verbindet,
der Berg trennt. Auf jeden Fall dominieren beidseits vom
Pizzo Cassinello verschiedene Sprachen und Mentalitäten. Der Berg, der Kamm ist
somit nicht nur die Wasserscheide, sondern auch die Kulturgrenze. Dennoch
wollten die Menschen schon immer diese hohe Barriere überschreiten. Der Sattel
im Grat, die Kerbe im Fels vermittelte ihnen den Weg. Allerdings zum Preis
beinahe unvorstellbarer Mühen. Kaum ein anderer Pass legt ein dermassen
eindrückliches Zeugnis ab, wie hart die Lebensbedingungen in den Bergtälern des
späten Mittelalters gewesen sein müssen. Um jährlich Vieh, Schafe und Ziegen in
der Länta zu sömmern, bauten die Tessiner aus dem Valle di Blenio einen ebenso
kühnen wie halsbrecherischen Steig über den Passo Soreda. Mit einfachsten
Mitteln und von Hand. 700 Jahre lang bedeutet diese Route den Bauern von Ponto
Valentino und Pruciasco die alljährliche Wanderung zur Sommerweide.
Wenn wir heute als
Bergwanderer über den Passo Soreda steigen und uns dabei gleich mehrfach an Felsen
und Ketten festhalten müssen, schleichen sich da neben eindrücklichsten Natur-
und Landschaftsbildern respektvolle Gefühle in den Kopf. Dieser ist auch auf
dem Gipfel des Pizzo Cassinello gefordert. Denn das 360 Grad Panorama über die
ganzen Zentralalpen ist vielleicht nur noch auf dem etwas vorgelagerten
Rheinwaldhorn umfassender. Was sich vom höchsten Wandergipfel der Länta und des
Tessins aus bestaunen lässt, verschlägt einem beinahe die Sprache. Egal ob die
Deutsche oder die Italienische.
Passo Soreda und
Pizzo Cassinello mögen für Gelegenheitswanderer anstrengende Wege sein. Es lohnt sich aber auf jeden Fall zu diesen gleichermassen modernen wie
wilden Grenztouren aufzubrechen.